Interview mit Dejan Simonović zum neuen Game Based Podcast

Steffen Haubner, Katholische Nachrichtenagentur KNA
Referent sitzt vor seinem Computer und wendet sich dem Betrachter zu

Dejan Simonović, SMZ Stuttgart

„Game Based“ blickt mit „Bildungsbrille“ auf die Videospielwelt

Hilfreicher Podcast der Stuttgarter Computerspielschule

Gaming ist längst mehr als nur Zocken – dem trägt der Podcast „Game Based“ Rechnung. Das monatliche Angebot der Stuttgarter ComputerSpielSchule widmet sich Themen wie beispielsweise Geschlechterdarstellung, Moral oder Scheitern. In den letzten Jahren sei das Interesse an Medienbildung in Sachen Games besonders gestiegen, betont Macher Dejan Simonović.

Digitale Spiele sind längst viel mehr als ein bloßer Zeitvertreib. Als kulturelle Ausdrucksform weisen sie weit über sich hinaus, bilden gesellschaftliche Entwicklungen ab und sind insbesondere für Jugendliche eine Kommunikationsplattform, für viele sogar ein zukünftiges berufliches Betätigungsfeld. Wenn man daran denkt, dass 58 Prozent der Deutschen regelmäßig Videospiele machen, dann drängt sich der Eindruck auf, dass das Thema für viele Menschen mittlerweile relevanter ist als anderen Kunstformen wie etwa Kinofilme. Laut den JIM- und KIM-Studien der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg sind es bei den Jüngeren sogar 80 bis 90 Prozent, die sich regelmäßig mit Games beschäftigen.

All dem trägt der Podcast „Game Based“ Rechnung, der über viele gängige Podcast-Player wie Player FM, die Streaming-Dienste Spotify, Amazon Music und Deezer oder einfach online (https://computerspielschule-stuttgart.de/game-based-podcast/) abspielbar ist. Der Titel lehnt sich an den Begriff „Game Based Learning“ (spielbasiertes Lernen) an und legt nahe, dass die Initiatoren insbesondere die Bedeutung von Games für die Bildung im Blick haben. In den bislang über fünf Folgen (zwischen 30 und 60 Minuten Länge) werden Monat für Monat Themen wie Geschlechterdarstellung in Games, Moral oder Scheitern behandelt. Die allererste Folge befasste sich mit dem Feld der Serious Games, also Computer- und Videospielen, die konkrete Lerninhalte vermitteln sollen. Adressiert ist der Podcast an alle, die sich für Games interessieren – ob junge Spieler oder Eltern und Lehrkräfte.

zwei Medienpädagogen im Computerraum

Dejan Simonović und Nino Matinjanin, SMZ Stuttgart

Wie entstand die Idee?

Seine Heimat hat der Podcast an der ComputerSpielSchule Stuttgart, einem medienpädagogischen Angebot des Stadtmedienzentrums Stuttgart, er wird zudem von der Landesmedienanstalt gefördert. Moderatoren sind Nino Matinjanin, ein passionierter Gamer, der unter anderem Fortbildungen für Lehrkräfte veranstaltet, und Dejan Simonović, seit 2016 Leiter der Stuttgarter ComputerSpielSchule. Zu einzelnen Themen wird zusätzlich noch ein Experte oder eine Expertin eingeladen, darunter z.B. die bekannte YouTuberin Kathrin Fricke, bekannt unter dem Künstlernamen Coldmirror.

„Die Idee zu dem Podcast kam uns vergangenes Jahr“, erzählt Simonović mit ruhiger, angenehmer Stimme, die für ein Audioformat wie geschaffen ist. „Wir haben auch untereinander viel diskutiert und Podcasts sind ein unglaublich spannendes Medium, das in letzter Zeit extrem viel Aufmerksamkeit erfahren hat. Im Games-Bereich tut sich einfach so viel, dass man da auch immer aktuelle Themen hat, über die man reden kann.“ Während Einzelthemen wie etwa Gewaltdarstellung in Spielen immer mal wieder auf die mediale Agenda kämen, würden andere spannende Zusammenhänge eher selten diskutiert, etwa die Frage, wie man Spiele sinnvoll in der Bildung und in der Jugendarbeit einsetzen könne.

Junge Menschen abholen, wo sie ohnehin sind

Hier kann Simonović auf eine immense Praxiserfahrung verweisen, nicht nur, weil die ComputerSpielSchule jeden Freitag ihre Türen für Interessierte aller Art und jeden Alters öffnet. „Von meinem Abschluss her bin ich eigentlich Mediengestalter, habe meine praktischen Berufserfahrungen in den letzten zehn, zwölf Jahren aber vorwiegend im pädagogischen Bereich gemacht. Medienpädagoge, das ist ein Beruf, den gibt es ja noch gar nicht so lange. Das haben entweder Medienleute oder Pädagogen gemacht, die versucht haben, die Disziplinen miteinander zu verbinden. Inzwischen gibt es eigene Studiengänge, die auf Kultur- und Medienbildung ausgerichtet sind, und es hat sich ein eigenes, zunehmend wichtiges Berufsbild daraus entwickelt.“

Das Interesse an Medienbildung im Allgemeinen und Games im Besonderen sei erst in den letzten Jahren nach und nach gewachsen. „Wir haben auch schon vorher mal eine Fortbildung zum Thema Computerspiele für Lehrkräfte angeboten. Da hat sich dann allerdings niemand angemeldet. Erst so zwischen 2015 und 2016 hat es plötzlich Klick gemacht. Offenbar hat man aus irgendwelchen Gründen auf einmal begriffen, was für eine Riesenchance darin liegt.“ Denn was könnte es schließlich Besseres geben, als junge Menschen genau bei dem Thema abzuholen, für das sie sich ohnehin schon stark interessieren, und für das sie bereit sind, einen großen Teil ihrer Zeit zu opfern?

Aber auch die Spiele selbst haben sich weiterentwickelt. So geht es in dem mehrteiligen Abenteuer „Life is strange“, das im Podcast nicht ganz zufällig häufiger Erwähnung findet, um Gruppenzugehörigkeit, um ethische Konflikte und um die Konsequenzen von Entscheidungen, die jeder von uns täglich treffen muss. Selbst in Ballerspielen wie „Borderlands“ werden Geschlechterrollenklischees heute ironisch gebrochen, Figuren wie Lara Croft in „Tomb Raider“ wandeln sich von plumpen Sexsymbolen zu echten weiblichen Role Models, und in Simulationsspielen für Kinder wie „Animal Crossing"“geht es um Toleranz und das gemeinsame Erreichen von Zielen. Jede Menge Stoff für den „Game Based“-Podcast, dessen Moderatoren und Gäste immer wieder auch an unerwarteten Stellen Erhellendes und Lehrreiches zu Tage fördern, weil sie ohne Scheuklappen durch die Welt der Videospiele gehen.

Games in der Pandemie: Kontakte, aber auch Suchtgefahr

Hat das Thema in den vergangenen zwei Pandemie-Jahren noch einmal an Bedeutung gewonnen? „Ich glaube ja, und zwar im Positiven wie auch im Negativen“, antwortet der Moderator. „Man hat einerseits gemerkt, dass Gamer erst einmal besser durch diese schwierige Zeit gekommen sind, allein dadurch, dass sie gewisse Freundschaften in der digitalen Welt, Netzwerke und so weiter hatten und sich online treffen konnten.“ Auf der anderen Seite
gebe es allerdings auch Studien, die belegten, dass riskante Mediennutzung bis hin zu Mediensucht in den zurückliegenden Monaten zugenommen habe. Aber das heißt ja umso mehr, „dass man sich darüber unterhalten muss, dass es einen Bedarf für Beratung und mehr Medienkompetenz gibt.“ Ein Bedarf, der zusätzlich noch durch die Tatsache unterstrichen wird, dass sich auf institutioneller Seite zuletzt nur recht wenig getan hat. „Ich finde es sehr schade, dass die Schulen es nicht hingekriegt haben, mehr aus der Situation zu ziehen und mehr digitale Bildungsangebote zu etablieren. Stattdessen hört man jetzt immer wieder dieselben extremen Positionen wie den Ruf zum reinen Präsenz- oder reinem Onlineunterricht. Dabei fällt meist die Frage unter den Tisch, wie sich hybride Unterrichtforen entwickeln lassen, die auch jenseits gesundheitspolitischer Überlegungen sehr viele kreative Möglichkeiten bieten könnten.“ Wenn man die aktuelle wissenschaftliche Diskussion an den pädagogischen Hochschulen und in der Didaktik verfolge, dann stelle man schnell fest, wie viele vielversprechende Ansätze es in diesem Bereich tatsächlich gebe.

Die Lehrerinnen und Lehrer nimmt Simonović dabei aber ausdrücklich in Schutz: „Das sind wirklich die letzten, denen ich einen Vorwurf machen würde.“ Schließlich hätten sich die Pädagogen einer unglaublichen Herausforderung stellen müssen, die sie angesichts der extrem begrenzten Mittel mit erstaunlichem Erfolg gemeistert hätten. „Man hätte schon erwarten können, dass sie von höherer Ebene etwas mehr unterstützt werden und dass man mehr mit Blick auf die Zukunft des Lernens denkt. Das ist auch genau der Punkt, wo unser Podcast ansetzt und wo wir positive Impulse setzen wollen: beim engen Zusammenhang zwischen Spielen und Lernen, der bei Schulbeginn noch eine Selbstverständlichkeit ist.“ Spätestens in der Sekundarstufe drifte das plötzlich auseinander, bis man fast den Eindruck habe, dass sich beides gegenseitig ausschließe. „Dabei ist doch längst bewiesen, dass selbst Erwachsene spielerisch am besten lernen.“

Steffen Haubner, Katholische Nachrichtenagentur KNA

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